17 Mrz Gelesen: Die hellen Tage von Zsuzsa Bánk
Ein Buch wie eine unentrinnbare Naturgewalt: Gebannt lauschen wir den ineinander verwobenen Kindheits- und Erwachsenwerdegeschichten der drei Hauptfiguren, in die man eintaucht und aus denen man nie wieder auftauchen möchte – so wie die drei am staubigen Feldweg entlanglaufenden Kinder mit ihren bunten Gummistiefeln gegen Ende des Buches ins Maisfeld eintauchen, das sie verschluckt und dann doch wieder ausspuckt.
Wehmut und Trennungsschmerz, ja sogar ein paar Tränen mag das Buch dem Leser abringen, wenn er die allerletzte Seite umgeblättert, mit den Romanfiguren zum allerletzten Mal das schiefhängende Tor zu Évis Garten geöffnet und die Steinchen durch den Staub geschoben, die allerletzten Zeilen gelesen hat.
So mächtig umfangen uns die Bilder; detailgetreue, liebevoll beobachtete Einblicke in helle Kindheitstage und dunklere Erwachsenwerdetage, sie reihen sich aneinander wie an einer Perlenkette. Die wirren Haare und schnellen Schritte von Évi und Aja, im Gegenpol dazu die zu langsamen Bewegungen von Karls Vater, das Klack-Klack in Karls Kopf, das ihn immer dann überfällt, wenn es regnet – aber auch die Eigenheiten ihrer Orte Kirchblüt und Rom sind dem Leser bald so vertraut wie den Hauptfiguren des Romans selbst.
In einer kraftvollen, wiedererkennbaren Sprache, die das Leben und die Ausdruckskraft feiert, webt Zsuzsa Bánk ihre Erzählung aus den einzelnen Lebensgeschichten zusammen, bis sie vor uns liegt wie Spinnwebfäden im goldenen Licht des Altweibersommers. Sie erzählt vom Erwachsenwerden der Ich-Erzählerin Seri und ihrer Weggefährten Aja und Karl, von ihren Müttern Maria, Évi und Ellen und deren zaghaftem Aneinanderrücken zu Freundinnen.
Und immer entsteigen den wunderbar gewählten Sätzen die leichten, hellen Sommertage der Kindheit, über die das Verschwinden von Karls Bruder einen ersten Schatten legt. Noch mehr dunkle Geheimnisse scheinen im Lauf des Lesens auf und enthüllen sich für jene, die sie betreffen.
Doch wie es in der Erinnerung oft so ist, liegt keine Bitterkeit mehr auf den Wirrnissen des jungen Lebens, auf den Fehlentscheidungen der Eltern, auf den Schicksalsschlägen. In der Rückschau verklärt sich der Blick auf die hellen Tage und auch auf die etwas weniger lichten, doch ohne die süßen oder bitteren Erfahrungen zu schmälern.
Wenn Évi schließlich langsam, doch unaufhaltsam in eine dunklere Welt hinabgleitet, in der ihr die Erinnerung Streiche spielt, dann spüren wir einen Stich, als beträfe es uns selbst. Und wir halten es mit Évis Wunsch, solange es in ihrem Kopf noch hell genug ist, diese Worte mögen auf ihrem Grabstein stehen: „Die hellen Tage behalte ich, die dunklen gebe ich dem Schicksal zurück.“